Legg Mason-Tochtergesellschaft Martin Currie zum „langen Goodbye“

Nun ist es amtlich: Die Mehrheit der Briten hat dafür gestimmt, die Europäische Union zu verlassen. Für Michael Browne und Steve Frost, Fondsmanager des Legg Mason Martin Currie European Absolute Alpha Fund, ist eines sicher: Auf das Ergebnis des Referendums folgt Unsicherheit, was zu einer höheren Volatilität am Markt führen wird. Doch welche Folgen hat der Brexit im Detail? Wie positionieren die beiden Europa-Experten ihr Portfolio konkret? Welche Auswirkungen hat das Referendum auf Großbritannien, die EU, die politische Szene und die Märkte? Browne und Frost geben Antworten:

Zur Fondspositionierung:

Im Vorfeld des Referendums waren wir besorgt, dass der Markt am 24. Juni entweder um drei Prozent zulegen oder um neun Prozent fallen würde. Grund hierfür war ein vorheriger Anstieg an den Märkten, weil die Mehrheit der Investoren wohl von einem Verbleib Großbritanniens in der EU ausgegangen war. Die von uns prognostizierte Spanne für mögliche Marktbewegungen am 24. Juni begünstigte Netto-Long-Positionen nicht gerade. Deshalb haben wir bereits im Vorfeld des Referendums unser Netto-Engagement von 48 Prozent auf 28 Prozent und unser Brutto-Exposure von 114 Prozent auf 95 Prozent reduziert. Ebenfalls runtergefahren haben wir unser Engagement in Firmen, die einen Großteil ihrer Gewinne in Großbritannien erzielen. Hier sind wir netto nur noch mit zwei Prozent long.

Zum langen Goodbye:

Die britischen Wähler, allen voran die in der Mitte und im Norden Englands, haben ihrem Ärger bezüglich einiger Globalisierungseffekte, dem Sparkurs und einem immer stärker auf London fixiertem Land Luft gemacht. Für den Austrittsprozess aus der EU muss nun der Artikel 50 des Lissaboner Vertrags rückgängig gemacht werden. Doch dieser wird erst starten, wenn die konservative Partei einen Nachfolger für David Cameron International gefunden hat, der nur wenige Stunden, nachdem das Ergebnis bestätigt wurde, zurückgetreten ist. Matthew Elliot, der Chef der offiziellen „Vote-Leave-Kampagne“, sagte er sehe keine Eile, den Prozess zum Artikel 50 in die Wege zu leiten. Der Chef der britischen Independence Partei, Nigel Farage, hingegen drängt darauf, schnellstmöglich eine pro-Brexit-Regierung zu etablieren.

Wirtschaftswissenschaftler korrigieren indes die Wachstumsvorhersagen für die britische Wirtschaft nach unten. Für 2017 zeigen diese bereits ein Minus. Wir glauben, dass es auch Auswirkungen auf das europäische Wachstum haben wird und rechnen hier mit einem Rückgang von 0,5 Prozent.

Zur Politik:

Das größte Risiko geht derzeit vermutlich von einer instabilen politischen Situation in Großbritannien aus, nun da Premier Davon Cameron International zurückgetreten ist. Es ist möglich, dass Boris Johnson, der frühere Londoner Bürgermeister und prominenter Verfechter des Brexit, auf dem Parteitag im Oktober zum neuen Chef der Konservativen Partei gewählt wird.

Wir sollten außerdem mit einem Ausbau des öffentlichen Dienstes rechnen, da hier einige Aufgaben anfallen werden, die bisher auf EU-Ebene gelöst wurden. Sowohl die Labour als auch die Konservative Partei werden wohl innerparteiliche Tumulte erleben und Großbritannien könnte künftig von einer schwachen Mehrparteien-Koalition regiert werden.

Europa hat die schlechte Angewohnheit, alle paar Jahre Probleme zu finden, die den Konjunkturoptimismus erschüttern, sei es die griechische Staatsschuldenkrise, Sorgen um zypriotische Banken, den Finanzsektor in Italien oder nun der Brexit. Wir bewerten dies als einen wesentlich größeren Prozess innerhalb Europas einen politischen Konsens zu finden, der letztendlich Unternehmen das Vertrauen geben würde, loszuziehen und zu investieren.

Zum makroökonomischen Geschehen:

Die Einkaufspreis-Inflation wird durch die Schwäche des britischen Pfunds hervorgerufen, obwohl Preissetzungsmacht des Outputs bei Gütern und Dienstleistungen auch in einer schwachen Wirtschaft noch vorhanden ist. Möglicherweise könnte eine geringe Immigration das Angebot an Arbeitskräften im niedrigen Gehaltssegment verknappen und damit für eine Lohninflation sorgen. Unserer Ansicht nach wird Großbritannien 2017 in die Rezession rutschen – vor allem aufgrund niedrigerer Investitionen von Unternehmen. Ein Ergebnis des Referendums wird sein, dass der Druck für Sparmaßnahmen, der durch die EU hervorgerufen wurde, nun nachlässt und damit zu einem der wichtigsten positiven Katalysatoren im Land werden könnte. Der schwache Euro und die Neuverteilung von ausländischen Direktinvestments weg aus Großbritannien nach Deutschland werden der dortigen Wirtschaft helfen.

Zum Kreditmarkt:

Die Bank of England (BoE) wird aller Voraussicht nach reagieren und britische Staatsanleihen kaufen. Am Markt spekuliert man darauf, dass das Quantitative Easing zunehmen wird. Die BoE hat bereits verkündet, dass zusätzliche 250 Milliarden britische Pfund aus normalen Quellen zur Verfügung stehen. Ursprünglich sind die Renditen 10-jähriger britischer Staatspapiere gesunken, während 10-jährige deutsche Staatsanleihen unter Null gefallen sind. Ein Umfeld mit fallenden Renditen und flacheren Renditekurven regt Banken nicht gerade dazu an, Kredite zu vergeben, was wiederum schlecht für die Gewinne der Banken ist. Andere Zentralbanken machen sich ebenfalls bereit für Reaktionen wie der Chef der Bank of Japan, Haruhiko Kuroda, verkündete.

Zu Unternehmensgewinnen:

Es ist noch etwas früh, um exakt vorherzusagen, wie die Unternehmensgewinne von einem schwächeren europäischen Wachstum beeinflusst werden. Wir gehen davon aus, dass insbesondere wirtschaftssensitive Unternehmen in Großbritannien mit kleinen Margen, ausgedehnten Bilanzen, die in fragmentierten Märkten operieren und von einem positiven Investitionszyklus abhängig sind, am meisten leiden werden. Auf der Gewinnerseite werden wir solche Unternehmen sehen, deren Gewinne von Währungsschwächen profitieren, die damit von Währungsumrechnungseffekten gepusht werden.

Zum M&A-Geschäft:

Assets in Großbritannien werden mit dem fallenden Pfund sehr günstig erscheinen, weshalb wir mit einer Zunahme bei Übernahmen – vermutlich hauptsächlich von US-Dollar-basierten und asiatischen Firmen – rechnen. Das gleiche trifft vermutlich mit der Euroschwäche auch auf Kontinentaleuropa zu.

Unsere Antwort:

Obwohl europäische Aktien als Anlageklasse stark unter Beschuss geraten sind, gibt es durchaus Anlass zu Optimismus: Das Referendum könnte eine wirtschaftliche Erholung sogar unterstützen, da der Sparkurs wegfallen dürfte. Unser qualitatives Ampelsystem, das es uns ermöglicht, einen strategischen Blick auf das wirtschaftlichen Geschehen zu werfen, zeigt bei einigen Indikatoren deutlich von neutral in Bullenrichtung. Die Unternehmen haben ihre Kosten im Griff, das Engagement der Investoren war bisher niedrig, ebenso wie die Kreditspanne.

Wir werden sowohl unsere Long- als auch Short-Positionen erweitern und haben eine Liste mit Unternehmen zusammengestellt, die in dem neuen Marktumfeld interessant erscheinen. Unser Research-Schwerpunkt liegt dabei auf Unternehmensmodellen, die europäisch ausgerichtet sind, schneller wachsen als das Bruttoinlandsprodukt, einen guten Marktanteil und Preissetzungsmacht haben sowie wenig anfällig für Probleme aus den Schwellenländern sind. Wir sind zudem auf der Suche nach Unternehmen, welche übermäßige Risiken gegenüber ihrem Geschäftsmodell abzinsen.

Zum Schluss:

Als aller erstes haben wir uns darauf konzentriert, Kapital zu erhalten indem wir die Bilanz und das Netto-Engagement in dieser unsicheren Phase reduziert haben. Als paneuropäische Strategie haben wir die Flexibilität uns auf die Länder und Unternehmen zu konzentrieren, die entweder weniger vom Brexit tangiert werden oder sogar davon profitieren – etwa indem wir uns nach soliden Unternehmen umschauen oder Short-Positionen bei Unternehmen eingehen, die vermutlich nach diesem historischen Ereignis mit einigen Herausforderungen zu kämpfen haben.